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Tierrechtsforum:
Ethischer Quantensprung

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Ethischer Quantensprung

Autor: Achim Stößer | Datum:
Während andere, ethisch im Mittelalter verhafteten, Zeitungen Antiveganismushetze und speziesistische Propaganda (sei es, was den von Biometzger Groth inszenierten, lange Tierrechtlern in die Schuhe geschobene Brandanschlag auf seine Metzgerei, angeht, sei es die Jäger-Mär von "angesägten" Hochsitzen, sei es der Wahn von verhungerten, vermeintlich veganen Babys, den selbst der Presserat auf unser Betreiben rügte), gelingt es der Frankfurter Rundschau, implizit die Notwendigkeit von Antispeziesismus und damit Veganismus für ethisch denkende und handelnde Menschen deutlich zu machen.

Zitat:
Über den Treibgängen der Schlachthöfe wacht sie mit stahlblauen Augen und will das Töten humanisieren, das Gemetzel am laufenden Band. Seit Jahrzehnten gilt ihr Einsatz den Opfern, den Nutzviechern, allen voran den Kühen, die sie nach eigenem Dafürhalten "über alles liebt". Temple Grandin, hochbegabte Autistin, Professorin für Tierwissenschaften an der Colorado State University und Beraterin zahlloser Zuchtbetriebe, Schlachthöfe, Burgerketten, ist mittlerweile berühmt, auch wenn die Mehrzahl deutscher Leser ihren Namen noch nicht gehört haben wird. Höchste Zeit, sie vorzustellen. Wer ist diese Frau? Und wichtiger noch: Was weiß sie über Tiere, die wir im Grunde gar nicht kennen wollen, aus lauter Liebe zur Bärchen-Wurst?
[...]

Eine Expertin ersten Ranges ist Grandin zweifellos. Dennoch enthält das Werk seltsame Widersprüche: Eine Tierrechtlerin ist Grandin sicher nicht. Stattdessen hat sie sich der unmöglichen Aufgabe verschrieben, die aus Profitstreben bzw. Esslust verbrochene Tötung komplexer Persönlichkeiten human zu gestalten. (Nicht umsonst findet sich das Wort "human" im Buch meist zwischen Anführungszeichen.) Kommt hinzu, dass die Forscherin mitnichten Vegetarierin ist - sie hat es nur ausprobiert. "Wenn es nach mir ginge, wäre der Mensch ein reiner Pflanzenfresser und kein Tier müsste seines Fleisches wegen getötet werden. ... Wenn ich kein Fleisch esse, fühle ich mich, als hätte ich Unterzucker. Mir wird schwindlig und ich kann mich nicht konzentrieren. Meine Mutter ist genauso veranlagt." O wie abenteuerlich! Von einer Professorin hätten wir zumindest erwartet, dass sie den vermeintlichen Mangel benennt, ihm einen Namen gibt.

Überdies ist der Fachfrau für Tierseelen vorzuwerfen, dass sie durchgängig so tut, als läge ein schönes Leben für Nutztiere zumindest im Rahmen des Möglichen, inklusive schmerz- und angstfreiem Tod. Aber selbst die Biobauern enthornen ihre Kühe, trennen Milchkuh und Kind, kastrieren Ferkel unbetäubt, halten zigtausend Hühner, damit die Arbeit lohnt.

Grandins schöne heile Welt für Nutztiere wird es todsicher niemals geben. Folglich ein in mehreren zentralen Aussagen unlogisches Buch. Grandins selektive Blindheit ist freilich eine, der die meisten Leser bereitwillig nacheifern werden, weil sie so ungeheuer praktisch ist. Tiere lieben und trotzdem fressen ... Damit uns Menschen nicht schwindlig wird?

http://www.berlinerliteraturkritik.de/index.cfm?id=10210


Achim